Drei Flüsse, vier Länder
Der Spätsommertörn 2007
von Michael Bürger

Leinen los achtern und vorn ! Die Delphin nimmt langsam Fahrt auf und gleitet aus ihrer Box. Der Steg des SCWB wird immer kleiner, dann sind wir hinter der Huk verschwunden und lassen den Motor etwas schneller laufen. Peter und ich haben uns wieder einmal für 14 Tage abgemeldet. Diesmal soll es die Havel hinab, und bei Havelberg auf die Elbe gehen, die Elbe hinunter bis Dömitz, dann auf die Elde, diese hinauf und letztendlich über Plau, die Müritz und die Müritz-Havel-Wasserstrasse wieder zum Wannsee.

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Die „Delphin“, 6,50 LÜA

„Na, da habt ihr Euch ja was vorgenommen !“, hieß es von allen Seiten. Na klar hatten wir das ! Aber wir waren vorbereitet. Der ganze Berg an Vorräten, der auf dem Steg gelegen hatte war irgendwo auf dem 6,20 langen Boot verstaut, die Karten liegen alle griffbereit und auch Peters Törnplaner ist stets in Reichweite. Werkzeug, Rettungswesten, Ölzeug, Signalmittel, Radio, Töpfe, Pfannen Lebensmittel, Getränke und was nicht noch alles ist irgendwie untergebracht und wir haben sogar noch jeder einen Platz um unter Deck zu schlafen.

Die Havel hinunter geht’s; über den Jungfernsee, Caputh, und die Stadtschleuse Brandenburg. Bis nach Brandenburg bin ich schon einmal gekommen, dahinter ist der Fluss mir gänzlich unbekannt, aber es lockt das Neue. Einige Zeilen eines alten englischen Gedichtes fallen mir ein:

“ Sail forth - steer for the deep waters only,
Reckless O soul, exploring, I with thee, and thou with me,
For we are bound where mariner has not yet dared to go,
And we will risk the ship, ourselves and all. .” *

…. bestimmt dahin zu fahren wo noch nie zuvor ein Seemann hin sich wagte.

Na gut, der Fluss ist kartographiert, aber ein Bisschen was von einem Entdecker sei uns doch wohl gegönnt.

Die Havel ändert ihr Bild stündlich. Mal ist sie breit und behäbig, dann wieder eng oder gewunden. Gegen abend, wir haben den ersten Liegeplatz den wir nach über 80 Kilometern ansteuern wollen doch nicht angelaufen, nachdem wir dort schon die ersten Mitglieder der Deutschen Trinkerjugend in Bomberjacken und Springerstiefeln gesichtet haben, finden wir einen verwaisten Steg und machen daran fest. Die Havel ist breit, aber die Strömung ist spürbar. Die letzten Strahlen der Abendsonne tauchen den Fluss in ein weiches Licht.

„Rollin’ on the river !“ Wer braucht da den Mississippi ?!
    
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Was ganz toll wäre ... eine Dusche.

NICHT der Mississippi – die Havel ist’s !

Die bekommen wir auch denn unversehens treffen wir auf den Verwalter des Steges, der uns die Sanitäreinrichtungen zeigt und das Liegegeld abnimmt. Dieser Steg, das erfahren wir jetzt, gehört einer Betriebssportgemeinschaft, die das Grundstück nicht mehr nutzen darf, weil die Alteigentümer es eigentlich verkaufen wollen aber sich über den Verkauf gegenseitig in die Haare geraten sind. Eine Geschichte die man mit wechselnden Personen überall in der ehemaligen DDR zu hören bekommt.

Am nächsten Tag geht’s weiter den Fluss hinab und schon am frühen Nachmittag gelangen wir nach Havelberg. Von weitem schon sieht man den Dom, der die Silhouette der Stadt beherrscht. Ein Fischer leert seine Reusen und Kinder springen vom Ufer aus in’s Wasser. Einen Liegeplatz finden wir an einem Steg auf dem Gelände einer Werft. Benzin gibt es nur etwa 500 Meter weiter und wir können der Verlockung nicht widerstehen unsere Vorräte aufzufüllen.

Havelberg ist, soweit wir feststellen können, ein hübscher Ort mit einer kleinen Altstadt, die ich mir jedenfalls auf einer späteren Reise ansehen werde.

Am nächsten Morgen schlagen wir, noch bevor wir losfahren einige Ösen in die Plane, die dazu gedacht ist uns, über ein Gestell geworfen, vor Regen zu schützen während wir festgemacht haben. Wir sind begeistert von unserem Werk !

Dann geht’s durch die Schleuse und auf die Elbe. Die Delphin schwimmt jetzt auf dem Fluss, der in die Nordsee mündet! Die Nordsee! Wir könnten nach England fahren, nach Amerika oder Australien! Aber nee, nix da! Bis Schnackenburg fahren wir, halten uns brav an die Pricken und ändern hübsch den Kurs wenn das Fahrwasser mal wieder ´nen Knick macht. Mit atemberaubenden 12 Kilometern in der Stunde rauschen wir zu Tal !

Schnackenburg hat schon bessere Tage gesehen. Der große ehemalige Zollhafen ist verwaist, es gibt nur noch einen Kiosk. Die großen Supermarktketten haben dem Ort den Rücken gekehrt, aber wir finden ein Lokal mit Blick auf den Hafen, wo wir unser Anlegebier trinken können.

Am Abend bauen wir zum ersten mal unser Zelt auf. Todschick sieht mein Gestell aus! Nun ja, es ist ein echtes Designerstück. Der First biegt sich elegant gut zwanzig Zentimeter durch und auch die achtere Stütze hat einen sehr schicken Schwung, sieht aus wie ein Fragezeichen. Was will der Künstler uns damit sagen ? Egal... es hält die Plicht trocken, denn es beginnt zu regnen, nein, zu schütten.

Hatte uns gestern noch die Sonne auf der Elbe gewärmt so gießt es jetzt wie aus Kannen. Wir lassen uns aber nicht aufhalten sondern fahren weiter den Strom hinab. Die Strömung treibt uns und die Delphin schießt erneut mit 12 Stundenkilometern auf Hamburg zu. Bei Dömitz erreichen wir die Mündung der Elde, fahren in die Schleuse ein und... da dreht jemand den Wasserhahn zu.

Im strahlenden Sonnenschein geht’s den Eldekanal stromauf bis zu unserem nächsten Halt - Eldena. Der kleine Hafen gleich vor der Schleuse ist übrigens sehr zu empfehlen!

Frachtverkehr findet man auf der Elde nicht. Kein Schubverband stört die Ruhe. An der breitesten Stelle zwischen Plau und Domitz ist die Elde gerade einmal 15 Meter breit, bietet aber eine amtliche Tauchtiefe von minimal 1,20. Um von Dömitz nach Plau (am See) zu gelangen muss man nicht weniger als 17 Schleusen mit insgesamt 49 Metern Hub überwinden. Ein Teil der Schleusen ist bereits auf Selbstbedienung umgestellt, etlichen anderen Schleusen steht das selbe Schicksal bevor.

Bevor wir in Eldena loswerfen warten wir noch ein schweres Gewitter ab, welches über uns tobt, doch als der Himmel aufreißt fahren wir los. Kaum haben wir die Schleuse Eldena passiert, als wir erneut in ein Gewitter geraten. Es dauert aber nicht lange und am Nachmittag scheint die Sonne schon wieder. Das wird auch die nächsten Tage so bleiben.

Von Eldena aus erkunden wir nun drei Tage lang Neuland.

Keine Untiefen, keine Katarakte, kein Sturm hält uns jetzt mehr auf. Die Elde fließt ruhig dahin und die Menschen, die an ihren Ufern leben, begegnen uns freundlich. Wir treiben Handel mit Ihnen, tauschen unser bedrucktes Papier gegen Gläser voll mit Bier .

Das Leben meint es gut mit uns. Auf unserem Weg die Elde hinauf treffen wir immer wieder auf die selben Boote. Reisende, Entdecker wie wir. Wir grüßen, werden gegrüßt. Man kennt sich, schnackt, tauscht sich aus. In Lübz ergänzen wir unsere Vorräte. Das ist hier äußerst günstig, weil es vom Anleger bis zu Aldi nur ganze 50 Meter weit ist.

Endlich erreichen wir Plau und machen im Yachthafen gleich backbord hinter der Schleuse fest. Die Hafenmeister sind ja irgendwie alle besondere Typen, die meisten mit Ecken und Kanten und sehr viel Humor. Bei diesem hier kommt noch hinzu, dass er den Weg in die Stadt erklärt und den Weg zu den Supermärkten in einen fotokopierten Stadtplan einzeichnet ohne dass man extra danach fragen muss.

Wir gehen hier also erst einmal ein Fischbrötchen essen, trinken das teuerste Bier unserer Reise und bauen dann wieder unser Designerzelt in der Plicht auf.

Am nächsten Morgen geht’s in die Stadt. Plau putzt sich ´raus. Es wird gebaut, gemalert, asphaltiert und gepflastert. Gegen Mittag werfen wir dann los und steuern auf den Plauer See hinaus.

Kaum sind wir aus der Abdeckung des Ufers heraus da spüren wir den kräftigen Wind, der von achtern kommend unsere Fahrt über den Plauer See noch beschleunigt. Mit einer guten 5 weht es hier. Es baut sich eine Welle auf, die wir jedoch nicht als unangenehm empfinden. Wie schön wäre es jetzt hier zu segeln !

Am Peterdorfer Kanal liegt der kleine Ort Lentz. Das bemerkenswerte an Lentz ist, dass es eine Wassertankstelle aufweist, die den wahrscheinlich besten Sprit weit und breit vertreibt. Für einen Preis von 1,57 Euro je Liter Super bleifrei kann man wohl erstklassige Qualität erwarten, oder ?

Ein bemerkenswertes technisches Denkmal können wir auf unserem Weg noch bewundern – die Drehbrücke von Malchow. Dem Ort selbst statten wir auch einen Besuch ab. Wie überall im Osten wird auch hier renoviert, restauriert und gebaut. Ja, es wird mal recht hübsch aussehen, wenn alles fertig ist.

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Die „Delphin“ im Hafen von Sietow

Dann geht es weiter über den Fleesensee in den Kölpinsee, wo wir wieder die bekannte Welt betreten. Hier waren wir schon einmal. Wir haben die Welt umrundet ! Von hier aus kennen wir die Etappen, die Häfen und die Schleusen, werden wohl manchen Hafenmeister wieder treffen.

Unser heutiges Etappenziel ist das Dorf Sietow. Schon bei der Einfahrt in den Hafen riecht man die Räucheröfen. Ja, sie duften... allerdings nur für Menschen, die Räucherfisch mögen. In Sietow sehen wir auch zum letzten mal einen alten Bekannten, der uns seit Eldena das Geleit gegeben hat. Für ihn und viele andere sind wir Exoten auf unserem gerade mal 6 ½ Meter langen Schiffchen auf dem noch an Deck gekocht wird.

Am nächsten Tag, bei unserer Fahrt über die Müritz, das kleine Meer, weht es kräftig. Der Wind kommt dwars, teilweise raum, mit guten 6 Bft ein. Gischt fliegt über das Deck und die wenigen Segler auf der Müritz haben kräftig gerefft. Nach Röbel, wo wir kurz halten um für unsere Frauen ein Souvenir zu kaufen, müssen wir gegen den Wind laufen. Die Kraft des Windes macht sich bei einem Boot mit einem Motörchen statt einem Motor schon bemerkbar.

Wir sind fast runter von der Müritz, da bekommen wir doch noch „auffe Mütze“. Es fängt an zu regnen und der Wind legt noch ein Bisschen zu, aber Rechlin, an der Kleinen Müritz, ist nicht mehr weit.

Wir entscheiden uns dafür in dem Hafen des MSVR, dem Müritz-Segelverein Rechlin, Zuflucht zu suchen. Zum einen sind das hier auch Segler und zum anderen waren wir schon mal hier. Der Hafenmeister (er sei herzlich gegrüßt!) ist noch der selbe wie vor zwei Jahren und erkennt uns ebenfalls wieder. Kann keine schlechte Erinnerung sein, sonst hätt’ er nich’ gegrinst als er uns sah. Im Restaurant am Hafen gibt’s noch immer leckere Bratkartoffeln, das Bier schmeckt auch und - was heute ganz wichtig ist - es ist geheizt. Obwohl es draußen recht frisch und auch etwas windig ist liegen wir doch hier wie in Abrahams Schoß.

Am nächsten Morgen stellen wir fest, dass es zu ungemütlich wäre an Deck zu frühstücken und bleiben zum ersten mal unter Deck. Als wir losfahren wollen stellen wir fest, dass wir am letzten Nachmittag gaaaaanz sanft auf Modder gelaufen sind. Wir stecken erstmal fest.

Mit hauruck und schaukeln kriegen wir die Delphin aber wieder flott und nehmen wieder Kurs auf Berlin.

Die Schleusen halten uns auf. Für das kurze Stück bis Priepert brauchen wir etwa sieben Stunden. 2 ½ Stunden müssen wir insgesamt an diesem Tag auf Schleusungen warten. Wie muss es da erst während der Hauptsaison an den Schleusen zugehen ?! Nicht auszudenken !! Die Sonne schien den ganzen Tag scheint, als ob jemand dafür bezahlt hat, aber am Abend wird’s so frisch, dass wir zum ersten mal die Heizung ausprobieren - war wirklich ´ne gute Idee die mitzunehmen!

Je näher wir Berlin kommen wird der Verkehr auf dem Wasser dichter und endlich auf dem Oder-Havel-Kanal hat uns auch die Berufsschifffahrt wieder. Eine letzte Übernachtung in Havelbaude und dann sind’s nur noch wenige Kilometer bis zum kleinen Steg am Wannsee.

Am 1. September 15:00 machen wir wieder fest. Vierzehn Tage gehen doch ziemlich schnell vorbei, auch wenn man „mal eben“ 575 Kilometer auf dem Wasser zurückgelegt hat.

„Tja, Kinners, so war das mit der Weltumfahrung !“ würde jetzt wohl Käpt’n Blaubeer seinen Bericht schließen. Ich schließe mich dem an.

Wohin es im nächsten Jahr geht ? Wir werden sehen... wohin der Motor uns treibt!